Ocean Sole: Flip-Flop-Kunst von Nic & Mic

Das niederländische Unternehmen Nic & Mic lässt in Kenia aus Meeresmüll Kunst herstellen: Alte weggeworfene Flip-Flops werden zu kunterbunten Tierfiguren.

"Die meisten Flip-Flops verarbeiten wir, bevor sie im Meer landen."

- Nicholas Ninaber van Eijben von „Nic & Mic“


Bunter Bär aus Badeschlappen

Der farbenfrohe Grizzlybär ist der Liebling im Steuerberatungsbüro De Beer im niederländischen Tilburg. Die meisten Klienten laufen staunend auf die zwei Meter große Tierfigur in der Eingangshalle zu, sagt Chef Paul van Ierland. Sie wollen ihn anfassen und fragen: „Wie schwer ist der? Woraus ist er gemacht?”

Als Antwort fordert van Ierland seine Kunden dann gern auf, die Tierskulptur mal hochzuheben: „Sie wiegt so gut wie nichts!” Denn der Bär wurde aus Tausenden von zusammengepressten Flip-Flop-Sohlen geschnitzt. Genauer gesagt: aus weggeworfenen Badelatschen, die sonst im Meer gelandet wären, und solchen, die aus dem Meer kamen, aus Indien und Sri Lanka, von Ozeanströmungen an die Strände Kenias gespült.


Milliarden Menschen können sich nur Flip-Flops leisten

Den Bären hat van Ierland bei „Nic & Mic“ bestellt. Das Unternehmen aus Boxtel nahe Eindhoven importiert die Tierfiguren aus alten Flip-Flops in allen Farben und Formaten aus Kenia nach Europa.

„Für uns hier sind es Sommerschuhe, die für das ultimative Urlaubsgefühl sorgen”, erklärt Nicholas Ninaber van Eijben, der die Firma 2014 mit seinem Bruder Michael gegründet hat. Aber drei Milliarden Menschen auf der Welt tragen diese Schuhe das ganze Jahr über, und zwar deshalb, weil sie sich keine anderen leisten können.

„Sie sind spottbillig und qualitativ viel schlechter als in Europa produzierte.” Dementsprechend schnell gehen sie kaputt und werden weggeworfen – um dann bei Starkregen zusammen mit anderem Abfall über die Flüsse ins Meer gespült zu werden.


Der Auslöser: ein Aufenthalt in Afrika

Millionen von Flip-Flops landen jedes Jahr in den Weltmeeren und werden Teil der riesigen Plastikmüllstrudel, die im Wasser treiben. Die Brüder aus Boxtel wollten hier nicht tatenlos zuschauen und einen Beitrag gegen die Verschmutzung der Ozeane leisten.

Auslöser war ein Keniaaufenthalt von Mic im Jahr 2014. Dort lernte er Julie Church vom World Wide Fund For Nature (WWF) kennen. Sie hatte Ende der 1990er-Jahre am Strand Mütter beobachtet, die für ihre Kinder aus den Sohlen angespülter Flip-Flops Spielzeug schnitzten. Ein Aha-Erlebnis: Umgehend heuerte sie Holzschnitzer an, die ihre Figuren an Touristen verkauften. Fortan fertigten sie Tierfiguren aus Flip-Flops statt aus Holz – die Geburtsstunde des Unternehmens „Ocean Sole“ (Ozeansohle).


Pro Jahr werden eine Million Flip-Flops verarbeitet

Der Handel blieb zunächst auf Kenia beschränkt. Bis Julie beschloss, mit den beiden zu kooperieren. Nic und Mic kurbelten die Produktion vor Ort an und verbesserten die Qualität. Aus den 30 Mitarbeitern wurden 90 und aus den 400.000 verarbeiteten Flip-Flops eine Million pro Jahr.

„Der Erfolg überrumpelte uns”, erzählt Nic. Gleich am Anfang bestellte eine Firma aus Leverkusen eine vier Meter hohe Giraffe, ein Nilpferd und einen Babyelefanten. Ein Großauftrag: Denn für eine 100 Zentimeter hohe Figur braucht es etwa 500 Sohlen.

Eingesammelt werden die Flip-Flops in Kenia von der lokalen Bevölkerung. Die Leute können sie an Sammelstellen abgeben und erhalten eine Art Flaschenpfand für jedes Kilo.


Aus gepressten Blöcken werden Tiere aller Art

Die Sohlen werden zunächst gesäubert, kleine Steinchen und Dornen entfernt. Dann legen die Mitarbeiter von Ocean Sole sie zu bunten Stapeln übereinander und verleimen sie. Die Stapel werden zu Blöcken gepresst, aus denen je nach Tier Basisformen herausgestanzt werden, die die Schnitzer dann mit Messern und anderen Werkzeugen weiterbearbeiten.

Anschließend werden die geschnitzten Tierkörper geschliffen, mit Ohren, Hörner und Schwanz versehen – und mit einer speziellen Schicht überzogen, die dafür sorgt, dass die Skulpturen auch im Freien schön bleiben und die Farben nicht zu schnell verbleichen.

Kleine und mittelgroße Figuren bestehen ausschließlich aus Flip-Flop-Sohlen. Die riesigen, wie der Grizzlybär aus Tilburg, haben einen Kern aus PUR-Schaum, der mit Flip-Flops beklebt wird.


Dreimal mehr Geld für die Schnitzer

Von den großen Skulpturen gehen bis zu 70 Prozent des Verkaufspreises zurück nach Kenia an Ocean Sole, von den kleinen sind es 25 Prozent. Der Rest bleibt bei Nic & Mic. „Die Schnitzer verdienen bei Ocean Sole bis zu dreimal mehr als vorher mit den Holzfiguren”, so Nic. Zudem finanzieren die Firmen ein Sparprogramm für das Schulgeld der Kinder.

Inzwischen wird jede zweite Skulptur über Nic & Mic in Europa verkauft. Gut zwei Drittel der Abnehmer sind Unternehmen wie das von Paul van Ierland. Dessen Freundin hat auch zu Hause bunte Tierfiguren aufgestellt, darunter eine 1,70 Meter große Giraffe. „Weil sie so fröhlich sind, obendrein für Arbeitsplätze sorgen und die Ozeane vor noch mehr Plastikmüll bewahren.“ Besser geht es nicht, oder?


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