PLATZprojekt Hannover: Containerdorf für Kreative

Das PLATZprojekt in Hannover ist ein Paradebeispiel für alternative Stadtentwicklung. In dem Containerdorf kann jeder seine kreativen Ideen verwirklichen: ob Plastik recyceln, Stühle bauen oder Brot backen.


"Bei uns gibt es Platz für Vorhaben, Dinge und Aktionen, für die man sonst in der Stadt keinen Raum findet."

- Simon Kux, PLATZprojekt Hannover


Bibliothek der Dinge

Schmetterlinge flattern, an jeder Ecke sprießt Grün empor, überall Menschen, die an etwas arbeiten oder zusammen in der Sonne sitzen. Das war hier nicht immer so. Einst eine alte Brachfläche, hat eine Gruppe von jungen Leuten den ungenutzten Platz inmitten des Industriegebiets von Hannover-Linden in ihr „PLATZprojekt“ verwandelt. Ihn zu einem Ort der Kreativität und der Inspiration gemacht, belebt durch unkonventionelle Ideen.

„Das Konzept dahinter ist, dass Platz für Vorhaben, Dinge und Aktionen zur Verfügung gestellt wird, die sonst in der Stadt keinen Raum finden“, sagt Simon Kux, Industriedesigner und aktives Mitglied des „PLATZprojekt e. V.“. Er führt uns über das 3000 Quadratmeter große Gelände, vorbei an Orten wie einer Mikrobrauerei, einer Fahrradmanufaktur, einem Tischkicker-Verein und der Bibliothek der Dinge, ein Organisationssystem für kleine Gegenstände, die man sich ausleihen kann, statt sie neu zu kaufen.


In Containern entstehen die Ideen

2014 initiiert ist das PLATZprojekt Hannover immer weiter gewachsen. Heute hat der Verein über 200 Mitglieder und ist Best-Practice-Beispiel für viele andere alternative Orte inmitten von deutschen Städten. In Containern hat hier jede und jeder einen eigenen kleinen Raum, in dem man sich und seine Idee verwirklichen kann. Container sind relativ günstig zu bekommen, ein kleines Raumwunder, das sich auch stapeln lässt. Und sie sind unkompliziert hierher zu bringen: Der Lindener Hafen liegt direkt um die Ecke.

In einem dunkelblauen Container setzt Simon sein eigenes Projekt namens „Plasticycle“ um – er ist ein Teil der weltweiten „Precious Plastic“-Bewegung. Deren Idee ist es, Plastikmüll einzuschmelzen, um so neue Produkte herzustellen. „Im Prinzip können wir alles recyceln, was Thermoplaste sind, also Alltagskunststoffe, die durch Erhitzung flüssig werden“, sagt er.


Kunststoffabfall sinnvoll recyceln

Aus Deckeln und Verpackungen lassen sich so je nach Gussform verschiedene Produkte kreieren, etwa Hexagone als Untersetzer oder Wandfliesen. Sobald man verschiedenfarbiges Plastik zusammengießt, entsteht eine Marmorierung, die jedes Stück einzigartig macht.

Simon: „Ich sammle Kunststoffe, sortiere ihn sortenrein und schreddere ihn danach klein. Das feine Granulat kommt in die sogenannte Injektion-Spritzgussmaschine, die er bis auf 280 Grad vorheizt. „Im Rohr wird das Plastik dann erhitzt, und unten läuft der flüssige Kunststoff heraus“, sagt Simon. „Den drücke ich schließlich in eine vorgegebene Form.“


Karabiner in Minutenschnelle

Simon zeigt den Vorgang. Und ein paar Minuten später kommen sechs kunterbunte Karabinerhaken zum Vorschein. Er nimmt sich ein kleines Messer, löst die Karabiner aus ihrer Form, schneidet überschüssige Plastikfäden ab – und fertig sind die „Plasticycle“-Kreationen. Im letzten Jahr hat „Plasticycle“ auf diese Weise rund 150 Kilo Kunststoffabfälle recycelt.

Simon kooperiert mit kleinen Läden in der Nachbarschaft, wie etwa Cafés, die seine Produkte verkaufen. Ein Karabinerhaken kostet vier Euro. Der Erlös finanziert etwa die Miete des Containers, die Anschaffung neuer Werkzeuge, Formen oder den Ersatz von Verschleißteilen.


Workshops für Stühlebauer

Ein weiterer Herzenswunsch, den sich Simon Kux hier vor Ort erfüllt, sind seine „Stuhlbau-Workshops für Menschen und Menschlichkeit“. Das Grundkonzept ist, „dass der Stuhl allein aus 24 x 28 Millimeter starken Dachlatten und nur mit Nägeln und Leim gebaut wird.“ So kann jeder von jung bis alt ohne große Vorkenntnisse mitmachen.

Jeder Teilnehmer bekommt seinen Namen eingraviert. Simon: „Ich mache die Workshops mit Menschen aus der ganzen Welt, oft mit Flüchtlingshintergrund. Die Stühle haben immer eine Inschrift, ‚made by‘ und ‚from‘.“ Seit 2015 wurden auf diese Weise bereits mehr als 250 Stühle gebaut – mit Menschen aus 18 Ländern.


Jede Woche frisches Sauerteigbrot

Weiter geht es durch das Containerdorf in Hannover, vorbei an Co-Working-Spaces und einer Nähwerkstatt. Der Geruch von frisch gebackenem Brot liegt in der Luft. In der Mitte des Geländes steht ein alter Holzofen. Bäckermeisterin Kathrin Schubert holt gerade die letzten Brote heraus, alle aus Vollkorn sowie aus Bio- und Demeter-Rohstoffen hergestellt.

Unter dem Namen „Vesperstüble“ backt sie einmal in der Woche frisches Sauerteigbrot. Brotliebhaber zahlen einen monatlichen Festpreis und holen sich ihr gutes Stück einmal die Woche selbst ab. „Für mich ist das hier ein Ort, an dem man sich mit wenigen Mitteln ausprobieren kann“, sagt Kathrin.


Ultimativer CO2-Speicher: Korkrinde

Ein paar Meter entfernt werkelt Rouven Brauers an einem Surfboard. Unter dem Namen „Bufo Boards“ spezialisiert er sich auf sogenannte Hardcork-Surfbretter und -Skateboards aus umweltfreundlicher Korkeichenrinde und Naturfasern. Rouven erklärt: „Das Material ist extra dämpfend und darüber hinaus noch klimaschonend. Die Korkeichenrinde wird abgeerntet, der Baum also nicht gefällt.“

Am Ende unseres Rundgangs weisen Sonnenblumen auf einen Mulchweg hin. Er führt zum „PLATZgarten“. Zwischen einem Glashaus und Gemüsebeeten können alle mit anpacken, Gemüse anbauen und beim Ernten helfen. Dazu gibt es Bienenstöcke, aber auch Veranstaltungen wie Saatgutbörsen und Jungpflanzenverkauf. Der ideale Ort also, um sich mit der Natur zu verbinden, Kreativität und Kraft zu tanken. Für viele weitere Ideen, die hier Wirklichkeit werden könnten.


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