Der Wald – mehr als nachhaltig

Während wir Menschen das Prinzip Nachhaltigkeit zelebrieren, zeigt uns der Wald, dass es viel besser geht. Davon sollten wir lernen: von der Kunst, sich selbst zu erhalten. Tatsächlich kommt der Begriff „Nachhaltigkeit“ ursprünglich aus der Forstwirtschaft.

Der Kreislauf der Natur

Deutschland ist zu einem Drittel mit Wald bedeckt und mittlerweile sind große Flächen unter Naturschutz, aber eine menschliche Beeinflussung hat überall zu irgendeinem Zeitpunkt mal stattgefunden. In der Schweiz gibt es noch zwei kleine Flächen Naturwald in Steillagen, die so unzugänglich sind, dass sie bis heute vom Menschen unverändert geblieben sind. Im Grenzgebiet von Polen und Weißrussland gibt es noch einen Urwald, der seit jeher ohne unsere Eingriffe existiert. In Deutschland gibt es Wälder wie zum Beispiel den „Bayrischen Wald“, die wieder komplett sich selbst überlassen werden. In solchen Wäldern kann besonders gut der Kreislauf der Natur, der aber auch in allen genutzten Wäldern stattfindet, beobachtet werden. Totes Holz wird von Bakterien und Pilzen, sogenannten Destruenten, zersetzt. Je nach Holzart und Größe des Gewächses sind etwa 600 Großpilzarten und rund 1.350 Käferarten pro Baum aktiv. Durch die Arbeit der Pilze, Käfer und Bakterien gelangen wichtige Nährstoffe in den Boden. Diese werden von Pflanzen (Produzenten) über ihre Wurzeln aufgenommen und tragen zu ihrem Wachstum bei – so lange, bis die Pflanzen wiederum von Tieren (Konsumenten) gefressen werden oder sie ihre Altersgrenze erreicht haben, absterben und der Zyklus von Neuem beginnt.

Info: In der Regel wird kein Totholz von den Förstern weggeräumt, sondern es verbleibt im Wald. Im Gegenteil gibt es Programme, um den Anteil an Totholz in unseren Wäldern zu erhöhen, welcher auch tatsächlich zunimmt.


Jeder hat seine Aufgabe

Alle Lebewesen im Wald: Bäume, Pflanzen, Tiere, Insekten, Pilze und Bakterien sind Teil eines Kreislaufs bzw. eines sich selbst regulierenden Ökosystems.

Um zu wachsen, produzieren Bäume bei der Photosynthese Sauerstoff – und zwar deutlich mehr, als sie selbst zum Leben benötigen. Gut für Specht, Wildschwein, Hirschkäfer und all die anderen Lebewesen, die das Gas zum Atmen benötigen. Nicht zuletzt für uns Menschen. Umgekehrt sind es diese Lebewesen, die Kohlenstoffdioxid ausatmen. Dieses nehmen Bäume und Grünpflanzen auf und wandeln es – zusammen mit der Lichtenergie – in ihren Blättern bei der Photosynthese unter anderem in Zucker um, den sie zum Wachsen benötigen.

Doch was passiert, wenn im Herbst die Blätter von den Bäumen fallen und den Waldboden bedecken? Wie bei anderen organischen Abfällen wie beispielsweise Kot, Totholz oder Tierkadavern werden die abgefallenen Blätter von Pilzen und Bakterien mineralisiert. Es entsteht eine Nährstoffschicht, der Humusboden. Mit dem Regenwasser gelangen die Nährstoffe tiefer in den Boden und an das Wurzelwerk der Pflanzen.


Ausbalancierte Lebensgemeinschaft

Wer einmal durch den Wald spaziert und die Stille genießt, ahnt nicht, was für eine riesige Lebensgemeinschaft hier zu Hause ist. Circa 4.300 Pflanzen und Pilze sowie mehr als 6.700 Tierarten sind in unseren Wäldern heimisch.

Das Faszinierende: Ob Reh, Ameise, Buche oder Morchel – sie stehen in Wechselbeziehungen zueinander, sodass ein stabiles Gleichgewicht entsteht.

Eichelhäher und Eichhörnchen beispielsweise ernähren sich – ihrem Namen alle Ehre machend – von Eicheln. Um den Winter zu überstehen, legen sie Vorräte an. Meistens mehr, als sie benötigen, sodass sie für die Vermehrung der Eichen sorgen. Ein anderer Waldbewohner unterstützt den Erhalt der Bäume ebenfalls: Die Waldameise verspeist die Larven von Schädlingen wie beispielsweise dem Borkenkäfer. Die Ameise wiederum steht auf dem Speiseplan des Grünspechts – deshalb ist diese Spechtart nicht wie ihr bunter Verwandter hämmernd an Baumstämmen zu sehen.

Mehr zum Lebensraum Wald finden Sie hier.


Ein lebendiger toter Wald

Im Nationalpark Harz lässt man die natürliche Sukzession voranschreiten und unterlässt gebietsweise menschliche Eingriffe.

 Ein auf den ersten Blick erschreckender Anblick. Seit 2017 haben Starkregen, Stürme, Dürre und zum Schluss der Borkenkäfer den Fichten zugesetzt und sie hektarweise sterben lassen. Wer etwa bei Braunlage wandern geht, streift durch eine Landschaft abgestorbener Bäume – die dennoch voller Leben steckt. Das freie Spiel der Natur zeigt sich facettenreich und macht neugierig: Moos bedeckt Wurzeln, aus hinweggefegten und morsch gewordenen Stämmen sprießt zartes Grün. Wer noch genauer hinsieht, kann unter der Rinde verschiedenen Käfern bei der Arbeit zusehen.

Tote Bäume sind nicht das Ende des Waldes. Er wird sich neu entwickeln, seine Kräfte den Gegebenheiten anpassen – so, wie er das seit Millionen von Jahren gemacht hat.


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